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Hifi-Klassiker |
Aikido by John Broskie (JRB) - Teil 2 |
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John Broskie's Weiterentwicklung der Compound-Schaltung zur Aikido-Schaltung
mittels des Kniffs der Noise-Injection haben wir im ersten Teil untersucht und
hoffentlich nachvollziehbar erklärt. Was uns vom Soundcheck nun noch abhält, ist
eine adäquate Spannungsversorgung der Verstärker-Schaltung. |
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Was ist ein adäquates Netzteil? |
Das ist in der Tat eine gute Frage, denn die Aikido mit ihrem sehr guten PSRR stellt eigentlich
keine besonders hohen Ansprüche an die Hochspannung. Dem stellen wir zwei Aber entgegen:
Erstens ist die McIntyre-Familie der strikten Überzeugung, dass 50 Prozent des Sounds aus
dem Netzteil kommt, weshalb wir nicht nur ein ziemlich aufwändiges TPS im Angebot haben,
sondern sogar unsere kleinen Endstufen, die STC und die 6973-PP, mit einer Variante des TPS-Reglers
ausstatten. Diese grundsätzliche Position geben wir auch für eine Aikido nicht auf. |
Zweitens waren es Broskie und sein damaliger Mitstreiter John Atwood, die mir vor vielen
Jahren die faszinierende Idee eines invertierten Parallelreglers (Inverted-Shunt-Regulator, ISR)
ins Gedächtnis pflanzten, die mich nie richtig losgelassen hat. Folglich kann das einzig
adäquate Netzteil für die Aikido ausschließlich ein Inverted-Shunt sein – neben der Aikido ein
zweite Hommage an Broskie und Atwood. |
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Inverted-Shunt-Regulator |
Die meisten uns bekannten Spannungsregler, man denke nur an die Stabi-IC, sind
Serienregler, auch Längsregler oder serielle Regler genannt. Um die Unterschiede zu den
Parallelreglern deutlich zu machen, lassen wir vorerst alle dynamischen Aspekte wie
Regelverhalten oder Innenwiderstände außer Acht und beschränken uns auf eine simple,
statische Sicht. |
In dieser reduzierten Sichtweise wird der zu versorgende Verstärker, die Last, zu einem
simplen Widerstand R2, während Gleichrichter und Siebkondensator C1 als solche noch zu
erkennen sind. Ein serieller Regler wird dann zu einem Poti, also einem veränderbaren
Widerstand, der in Reihe/Serie zur Last geschaltet wird. Eine für die Last konstante Spannung
wird einfach per Spannungsteilerregel erzeugt: Lädt der Siebkondensator nach, erhöht sich die
Eingangsspannung. Also wird der Längsregler sprich Poti seinen Widerstandswert erhöhen, weil
die Spannung über der Last im Sinne der Regelaufgabe konstant bleiben muss. |
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Ein Shunt- oder Parallelregler wird nicht in Serie, sondern parallel zur Last geschaltet. In der
zweiten Schaltung ist R4 wieder unsere Last und das Poti R3 unser parallel geschalteter Regler.
Dieser kann durch Variation seines Widerstandswerts aber nur den Strom in seiner Masche
ändern, was die Last solange kalt lässt, bis man R5 als Vorwiderstand einführt. Dann sieht R5
die Summe der Ströme durch Regler-Poti und Last, womit wir den gesuchten Hebel haben:
Dominiert R5 aufgrund seiner Größe den Gesamtstrom, bestimmt das Poti durch seinen
Eigenverbrauch, wieviel Strom die Last sieht. Weil Strom durch Last gleichbedeutend ist mit
Spannung über Last, funktioniert ein parallel geschalteter Regler sehr wohl auch als
Spannungsregler. |
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Dabei spielt es für die Funktion der Schaltung überhaupt keine Rolle, ob der Vorwiderstand in
der Zuleitung oder in der Rückleitung der Masche sitzt. Wir können den Vorwiderstand (nun
R8) bedenkenlos durch die Masche ziehen, wie man im Jargon sagt, ohne die Funktion zu
ändern, und machen so aus einem normalen Shunt einen invertierten Shunt. |
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Eine sehr simple Angelegenheit eigentlich, aber die Tücke steckt in der praktischen Umsetzung.
Selbst wenn man noch nicht in die reale Schaltung vordringt, ringen nicht wenige Menschen
um das Verständnis der "gewanderten" Masse. Denn nicht mehr der Minus-Anschluss des
Netzteilelkos definiert das Massepotential, so wie in 99 Prozent aller Verstärker, sondern der
Fußpunkt des Reglers im Übergang zum Vorwiderstand ist die Masse des Netzteils und damit
die Audio-Masse des Verstärkers. Dass die Last, also der Verstärker, direkt an der
"schmutzigen" Hochspannung hängt, gibt dem Verständnis meist den Rest. Unser Schlüssel
zum Verständnis aller inverted Shunts war und ist, dass nicht die 300 Volt, sondern die Masse
ausgeregelt wird. Vielleicht mag diese Vorstellung auch anderen hilfreich sein. |
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Inverted-Shunt by McIntyre |
Ganz bewusst haben wir unseren eigenen ISR gebaut und kein Broskie-Design übernommen,
denn wir wollten neben besseren dynamischen Eigenschaften auch eine Regelung der
Gleichspannung des Netzteils. Dass es am Ende ein invertierter Shunt geworden ist, war keine
Vorgabe, sondern hat sich gewissermaßen von selbst im Verlauf der Entwicklung ergeben. |
Oben haben wir von Vorwiderständen gesprochen, die umso besser funktionieren, je
hochohmiger sie sind. Das bringt uns in der Praxis zur Stromquelle, und zwar zu einer "echten"
Stromquelle, gebaut aus spannungsfesten Halbleitern. Bekanntermaßen haben wir bezüglich
Halbleitern keine Berührungsängste, schätzen die höhere erreichbare Impedanz im Vergleich
zu einer Röhre und vermissen den zusätzlichen Heiztrafo, denn die Röhre aufgrund der
Spannungspotentiale forderte, nicht wirklich. Eine röhrenlose Lösung, nicht sexy, aber
praktisch. |
Der Chef der Regelung ist aber selbstverständlich eine Röhre, namentlich eine ECC832-
Kombiröhre. Während die EC82-Sektion als Leistungssektion Strom schaufeln muss, fungiert
das 83iger System mit seiner Außenbeschaltung als Sensor oder Rückkopplungspfad, die
gegen eine Spannungsreferenz arbeitet und mit weiteren Bauteilen die Leistungssektion treibt. |
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Alles in allem ist uns ein gleichermaßen performanter wie schaltungstechnisch eleganter ISR
gelungen, auf den wir durchaus ein wenig stolz sind. Ein invertierter Parallelregler ist aber gewiss
nicht jedermanns Sache, was sich abgesehen von der Masseproblematik in der nicht-trivialen
Inbetriebnahme des Reglers begründet. Zunächst muss die statische wie dynamische
Stromaufnahme der zu versorgenden Schaltung bekannt sein, woraus sich schnell ein
Henne-Ei-Problem entwickeln kann. Und dann ist an zwei Schrauben zu drehen, nämlich dem
Arbeitspunkt der Reglerröhre, um die gewünschte Ausgangsspannung zu erreichen, aber
gleichzeitig muss die Stromquelle so eingestellt werden, dass die Reglerröhre weder überlastet
wird, noch verhungert. Das ist durchaus machbar, setzt aber deutlich mehr Kenntnisse und
Fertigkeiten voraus, als wir für den Aufbau eines beliebigen McIntyre-Bausatzes ansetzen. |
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Aikido-Sound |
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Zum kompletten Vorverstärker hochgerüstet und in die Anlage verfrachtet, gibt sich der
Aikido-Pre sofort als Röhre zu erkennen. Katie Melua bringt auf ihrem Live-Album (Dramatico
DRAMCD0051) mit "If you were a sailboat" und "Ghosttown" erst einen Shuffle, dann etwas
Reggae-artiges, die der Preamp wunderbar beschwingt, leichtfüßig und groovy wiedergibt. |
Dass eine vernünftige Röhre Stimmen "kann", ist nun wirklich keine neue Erkenntnis. Der
Aikido-Pre macht da keine Ausnahme, weder bei Katie Melua, noch wenn er in "Autumn leaves"
aus der "Songbird"-Compilation (Blix Street Records G2-10145) der Stimme von Melua-Vorbild
Eva Cassidy Körper verleiht und sie zugleich butterweich klingen lässt. Ein schlauer Herr, der
namentlich ausdrücklich nicht genannt werden möchte, hat das mal augenzwinkernd mit dem
"permanent glutvollen Kuß der Mitten" umschrieben... |
Dabei ist der Aikido-Pre beileibe kein Weichspüler! Manche, meist der Halbleiter-Fraktion
angehörige, verstehen unter Röhrensound aufgedickte, süßliche Gleichmacherei. Damit täte
man dem Preamp aber unrecht, nachweisbar beispielsweise mit der Aufnahme von Vivaldis
Jahreszeiten der Sonatori de la Gioiosa Marca (Divox Antiqua CDX-79404). Die Einspielung
erfolgte nämlich mit originalen oder originalgetreu nachgebauten Instrumenten der Zeit, was
nicht nur einen sehr ungewohnten Ensemble-Klang ergibt, sondern hin und wieder ganz
wunderbar quietscht und knarzt. Echte Weichspüler, alte Marantz und Konsorten, würden
davon nichts übrig lassen, während die Aikido ehrlich spielt, was auf der Platte drauf ist. |
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Wenn allerdings die Messlatte in Sachen Feindynamik sehr sehr hoch liegt, stößt die Schaltung
dann doch an ihre Grenzen. Wenn Sol Gabetta das Cello-Konzert von Elgar (Sony Klassik
88697658242) spielt, eigentlich ein eher ruhiges und getragenes Werk, das aber den Fokus
umso mehr auf das Cello-Spiel lenkt, dann klingt das Cello als Ganzes wunderbar, aber man
meint, die Intonation Gabettas bereits mit mehr Details und damit charakteristischer gehört zu
haben. Noch deutlicher wird es bei Didier Squibans Album "Porz Gwenn". Den Anschlag des
Meisters lösen einige Vorverstärker, darunter auch unser SRPP/SRSE, deutlich besser auf,
während die Aikido auf der Dynamik-Achterbahn schon mal eine Kurve auslässt. Da sie das
sehr damenhaft elegant macht, nämlich ohne unangenehm aufzufallen, muss man dieses
Kriterium nicht auf die Goldwaage legen, zumal bei diesem Musik-Material auch
Hochpreis-Boliden schon Federn gelassen haben. |
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Fazit |
Der Aikido ist definitiv ein gut-klingender Röhrenverstärker, völlig halbleiterfrei (was für
manche ja nicht unwichtig ist) und dabei immer noch einfach genug, um ihn freiverdrahtet
aufzubauen. Sein gegenüber dem Compound deutlich verbessertes PSRR verführt gerade dazu,
auch das Netzteil relativ einfach zu halten (Gleichrichter-Röhre plus CLC-Siebung) und auch
dieses frei zu verdrahten, obgleich er von einem geregeltem Netzteil mit Sicherheit profitiert. |
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Bis zum nächsten Mal, |
Ihr Team von McIntyre-HiFi |
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