Vom SRPP zum SRSE |
Teil 2: Eine Stromquelle macht den Unterschied |
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Im ersten Teil der SRPP-Artikelserie haben wir die SRPP-Standardschaltung
untersucht und ihre Defizite benannt. In diesem zweiten Teil wollen wir versuchen,
die Schaltung so zu verändern, dass sie unsere Ansprüche an einen Linelevel-
Verstärker erfüllt. |
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Rückblick auf die SRPP-Standardschaltung |
Die SRPP-Standardschaltung mit Rk=Rak lieferte uns eine Verstärkung von ungefähr 16dB.
Das ist soweit schon brauchbar, es dürfte allerdings auch etwas mehr sein. Unsere Forderung,
dass die Ausgangsimpedanz höchstens ein Zehntel der Eingangsimpedanz der nachfolgenden
Stufe betragen darf, damit wir keine Problem mit Leitungslängen und -qualitäten bekommen,
konnte die Standardschaltung nicht erfüllen; wir ermittelten 4.5k Ausgangsimpedanz an einer
10 kOhm Last. |
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Die wichtigste Erkenntnis aus dem letzten Artikel war jedoch, dass der Kernaspekt der
Schaltung, nämlich der Gegentakt- oder PushPull-Betrieb nur dann funktioniert, wenn die
Widerstände der Schaltung in einem bestimmten, von den Röhrenparametern abhängigen
Verhältnis zum Lastwiderstand stehen. Abgesehen von den normalen Streuungen der Röhren
und ihrer Drift über die Lebenszeit widerspricht das unserer Forderung komplett, den
Vorverstärker frei mit allen denkbaren Endstufen einsetzen zu können, seien es 300B-SET oder
Röhrengegentakt-Verstärker mit relativ hohen Eingangsimpedanzen, oder warum nicht eine
FET-Endstufe von Nelson Pass, die selten mehr als 10k Eingangswiderstand bietet. |
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Brauchen wir Gegentakt-Betrieb wirklich? |
Wir haben ja bereits im ersten Teil festgestellt, dass eine Push-Pull-Anordnung im Vergleich zu
einer Eintaktlösung den doppelten Strom in die Last pumpen könnte. Wenn wir 10 kOhm als
minimale Last definieren und diese mit reichlich 10 Vp füttern wollten, dann wäre dazu aber nur
ein einziges Milliampere notwendig, und dazu braucht es -genügend Ruhestrom und eine kleine
Ausgangsimpedanz vorausgesetzt- nun wirklich keinen Gegentakt, das kann eine Eintaktlösung
(single-end) ohne Probleme auch leisten. Die doppelte Stromlieferfähigkeit der
Gegentaktschaltung ist damit kein Argument, am Push-Pull-Betrieb festzuhalten. |
Der zweite Aspekt der Gegentaktschaltung ist die Verringerung des Klirrfaktors durch die
Kompensation der geradzahligen Harmonischen. Das ist durchaus eine erwünschte Eigenschaft.
Aber vergleichen Sie bitte, wenn Sie die Gelegenheit haben, den Klang einer typischen KT88-
Gegentaktendstufe mit einer gut gemachten Eintaktendstufe vom Schlage einer 45 oder 300B SET.
Nicht wenige beschreiben den Klang der Single-Ended-Verstärker als runder, wärmer oder
einfach wohlklingender, während die Gegentakt-Endstufen im direkten Vergleich etwas rauher
auftreten. Die Ursache dieser Klangunterschiede liegt unter anderem in den unterschiedlichen
Klirrspektren der Konzepte: Gegentakt ist zwar potentiell klirrärmer, aber die ungeradzahligen
Komponenten k3, k5 usw. dominieren das Spektrum. Bei den Eintaktern dominieren die
geradzahligen Harmonischen, also k2, k4 usw., und prägen damit den typischen SE-Sound.
Wenn wir im folgenden unsere SRPP-Schaltung auf Single-Ended umbauen, wird sich folglich
auch der Klangcharakter verändern. Ob dieser Umbau in Ihren Ohren besser oder schlechter
klingt, können natürlich nur Sie entscheiden. Aber nutzen Sie die Möglichkeit eines Vergleichs,
wenn sich Ihnen die Gelegenheit bietet, es lohnt sich! |
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Shunt-Regulated-Single-Ended |
Der Umbau unserer Ausgangsschaltung auf single-ended ist eigentlich ganz einfach: Wir
müssen lediglich den Widerstandswert von Rak massiv erhöhen. Mit echten Widerständen wird
uns das nicht gelingen, da uns die Versorgungsspannung Grenzen setzt. Aber eine Stromquelle
(oder CCS, Constant-Current-Source) bietet genau den hohen Innenwiderstand, den wir
benötigen. Die Eigenschaften der veränderten Schaltung untersuchen wir erstmal wieder im
Simulator, wieder mit idealisierten Bauelementen. |
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Man beachte, dass wir die Röhrenstufe nun mit mehr Ruhestrom betreiben und die CCS dafür
auf 7.5 mA eingestellt haben. Damit beide Trioden jeweils wieder ungefähr die halbe
Versorgungsspannung sehen, wurde Rk auf 470 Ohm erniedrigt. Die Erhöhung des
Ruhestroms, um die Trioden im lineareren Teil ihrer Kennlinien betreiben zu können, blieb uns
bei der ursprünglichen Schaltung aufgrund der gegenseitigen Abhängigkeit der Widerstände
verwehrt. Nun haben wir Freiheiten, den Arbeitspunkt selbst festzulegen, um dies schon
vorweg zu nehmen. |
Die Ströme durch die beiden Trioden bei Ansteuerung zeigt wieder der Simulations-Plot: |
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Der blaue Trace entspricht dabei dem Strom durch die obere Triode, während der rote Trace
den Strom durch die untere Triode anzeigt. Auf den ersten Blick erkennt man, dass nur noch
die obere Triode Strom in die Last liefert, während der Strom durch die untere Triode, obwohl
sie ausgesteuert wird, außerordentlich konstant bleibt. Wie ist das zu erklären? |
Die untere Triode arbeitet in Kathodenbasisschaltung und sieht als Außenwiderstand nur noch
unsere hochohmige Stromquelle. Dass sich hinter der Stromquelle noch die Last und das
zweite Triodensystem verbergen, sieht die Kathodenbasis nicht, weil die CCS sie davon
komplett isoliert. In der Praxis ist diese Isolation natürlich nicht perfekt, aber in der Simulation
haben wir eine ideale Stromquelle zur Verfügung. |
Wenn die Stromquelle den Strom durch die untere Triode konstant hält, dann muss jede
Änderung der Steuerspannung am Eingang der Röhre unmittelbar zu einer Änderung der
Anodenspannung führen. Die Änderung der Anodenspannung kann in unserer Schaltung aber
nicht mehr auf den Anodenstrom rückwirken, weil dieser ja von der CCS konstant gehalten
wird. In der Folge wird sich die Spannungsverstärkung der Kathodenbasis-Schaltung dem Mü
der Triode annähern. |
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Wenn Sie mit der Rückwirkung der Anodenspannung auf den Anodenstrom gerade etwas
Verständnisprobleme haben sollten: Man kann den Anodenstrom einer Triode über zwei Wege
steuern: |
- Eine Steuerspannung Ugk steuert Ia in einer Größenordnung, die uns die Steilheit der Röhre
vorgibt.
- Hält man Ugk konstant und ändert die Uak, ändert sich Ia ebenfalls.
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Im Ausgangskennlinienfeld ist das sehr leicht nachzuvollziehen (hier in der Simulation einer
6SN7): |
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Man sucht sich auf einer der Gitterlinien einen beliebigen Arbeitspunkt, und verschiebt den
Arbeitspunkt entlang der gewählten Gitterlinie. Wenn man auf einer Gitterlinie bleibt, bedeutet
das nichts anderes als dass Ugk konstant gehalten wird. Beim Verschieben des Arbeitspunkts
wird man sowohl in der Horizontalen, gleichbedeutend mit Uak, wie auch in der Vertikalen,
gleichbedeutend mit Ia, einen bestimmten Bereich abfahren. Je steiler die Gitterlinien
verlaufen, desto größer wird der überstrichene Bereich des Anodenstroms. Da die Steilheit der
Gitterlinien ein Maß für den Innenwiderstand der Röhren rp ist, wird klar, dass rp bestimmt,
wie groß der Einfluss einer sich ändernden Uak auf Ia ist, denn das Ohmsche Gesetz gilt auch
für Kleinsignalparameter. |
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Nehmen wir eine einfache Kathodenbasis-Schaltung mit einem Ra als Beispiel: |
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Aufgrund einer Steuerspannung Vstm, die in einem beliebigen Augenblick größer wird, wird die Röhre
gemäß ihrer Steilheit den Anodenstrom erhöhen. Mehr Anodenstrom erzeugt über Ra einen
Spannungsabfall, der die Uak der Röhre sinken lässt. Wenn die Uak sinkt, muss nach Steuerprinzip b) Ia
wieder abnehmen. Die effektive Steilheit der Röhre wird also kleiner sein als die im Datenblatt
angegebene Steilheit, und die Spannungsverstärkung wird kleiner sein als die ebenfalls im Datenblatt
angegebene Leerlaufspannungsverstärkung. |
Genau diesen Effekt nennt man Anodenrückwirkung und versteht ihn als eine röhreninterne Rückkopplung.
Unsere Väter sprachen noch vom Durchgriff D der Anode auf das Gitter. Heute
formuliert man das etwas anders: |
Um welchen Betrag muss man die Uak erniedrigen, um eine Anodenstromerhöhung durch eine
vergrößerte Ugk wieder auszugleichen? Diese Definition sollte Ihnen aber geläufig sein, denn
das Verhältnis der Änderungen von Uak zu Ugk ist nichts anderes als Mü. |
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Zurück zu unserer SRSE-Schaltung. Die untere Triode liefert also die Spannungsverstärkung
des Aufbaus, die an der Anode der unteren Triode als Spannungshub sichtbar wird. Da die CCS
den Querstrom im gesamten Zweig aber konstant halten möchte, wird sie die Spannung
zwischen beiden Röhrenhälften so einstellen, dass diese Bedingung immer erfüllt ist. Die
dynamische Änderung der Spannung über der CCS ist gleichzeitig die Steuerspannung für die
obere Triode. Diese arbeitet nun rein als Kathodenfolger und liefert niederohmig den Strom für
die Last. Da sie ebenfalls -quasi von der anderen Seite- die CCS als Außenwiderstand sieht,
wird auch sie mit größtmöglicher Linearität arbeiten. |
Spannungsverstärkung durch die untere Triode und Stromverstärkung durch die obere Triode
funktionieren wegen der CCS unabhängig voneinander, so dass wir auf ein präzises Matching
der Röhrensysteme bezüglich Steilheit und Innenwiderstand nicht mehr angewiesen sind, wie
es bei der Push-Pull-Lösung der Fall gewesen wäre. |
Eine Abhängigkeit der Funktion der Schaltung von der Last gibt es nicht mehr. Jede Simulation
mit anderen Lastwiderständen würde prinzipiell das gleiche Bild liefern, außer dass die
Stromamplituden, die der Kathodenfolger liefern muss, natürlich von der Last abhängen. |
Ein Aspekt, den wir bisher noch gar diskutiert haben, ist das PSRR (Power-Supply-Rejection-
Ratio). Die Stromquelle hilft uns durch ihre isolierende Wirkung, Störungen auf der
Versorgungsspannung vom Audioausgang fernzuhalten, definitiv ein weiterer Pluspunkt. |
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In Summe erhalten wir mit der Einführung der Stromquelle einen single-ended-amplifier, der
hoch verstärkt, einen niederohmigen Ausgang bietet, keine gematchten Röhren voraussetzt
und seine Eigenschaften nicht von der Last abhängig macht. |
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Haben wir damit den perfekten Vorverstärker gefunden? Nun, Perfektion ist in sich eine
philosophische Frage, aber in der Realität erkaufen wir uns die guten Eigenschaften mit einem
erhöhten Rauschen, bedingt durch das Rauschen einer realen Stromquelle und die höhere
Verstärkung der Schaltung. Für eine verhältnismäßig einfache Schaltung mit nur einer Stufe
haben wir dennoch ein gutes Ergebnis erzielt. Es ist halt wie im richtigen Leben: Man kriegt
nichts geschenkt... |
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Bis zum nächsten Mal, |
Ihr Team von McIntyre-HiFi |
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