Vom SRPP zum SRSE |
Teil 1: Die SRPP-Standardschaltung |
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In diesem ersten Teil der SRPP-Artikelserie untersuchen wir die Tauglichkeit der
Standard-SRPP-Schaltung als Hochpegel-Verstärker. Dafür definieren wir die
Anforderungen an einen universellen Vorverstärker und prüfen im Anschluss, ob und
wie gut die Standard-SRPP-Schaltung diese Anforderungen erfüllt. |
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Ursprung und Namensgebung |
Die SRPP-Schaltung (Shunt-Regulated-Push-Pull) wurde vor allem in Japan in den 1980er
Jahren populär. Es entwickelten sich neben einer Reihe von Schaltungsvarianten auch etliche
alternative Bezeichnungen, zum Beispiel SEPP, Mü-Follower, Cascoded-Cathode-Follower und
Totem-Pole-Amplifier, um nur einige zu nennen. Interessanterweise ist die erste allgemein
bekannte Beschreibung ein Patent aus den 1940ern, in dem eine nahezu Standard-SRPP-Schaltung
als Leitungstreiber für ein mit dem Wellenwiderstand abgeschlossenes Koaxkabel
dient. Diese Schaltung wurde aber noch nicht als SRPP, sondern nüchtern "balanced direct and
alternating current amplifier" (US-Patent 2.310.342) bezeichnet. |
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Line-Level-Preamps |
Da wir die SRPP-Schaltung als Vorverstärker für Linelevel-Signale einsetzen möchten, müssen
wir ein paar Anforderungen in unser Pflichtenheft aufnehmen: |
- Die Verstärkung (Gain) sollte zwischen Faktor 10 und Faktor 20 betragen.
- Eine ausreichende Bandbreite können wir eigentlich per se voraussetzen.
- Die Verstärkung sollte möglichst linear und klirrarm sein, und dies auch ohne den
Einsatz von globalen Rückkopplungsschleifen. Über röhreninterne
Rückkopplungsmechanismen wird übrigens später noch zu berichten sein.
- Gefordert ist eine niedrige Ausgangsimpedanz. Denn wo immer möglich trennen wir
Vorstufe und Endstufen und platzieren die Endstufen möglichst nahe an den
Lautsprechern. Da Röhrenendstufen üblicherweise sehr geringe Dämpfungsfaktoren
besitzen, haben die Widerstände der Lautsprecherkabel Einfluss auf das Zusammenspiel
der Impedanzen von Endstufe und Lautsprechern, weshalb die Lautsprecherkabel
möglichst kurz ausgeführt werden sollten. Lieber setzen wir Leitungslängen zwischen
Vor- und Endstufe ein. Verfügt die Vorstufe über einen hinreichend kleinen
Ausgangswiderstand, dann werden die Cinch- oder XLR-Kabel nicht zum
klangbestimmenden Element in der Hifi-Kette.
- Die Stromlieferfähigkeit unseres Vorverstärkers ist kein entscheidendes Kriterium.
Wollten wir Kopfhörer ansteuern, sagen wir eine Grado mit typischen 32 Ohm Impedanz
oder einen der großen Sennheiser mit immer noch 300 Ohm Impedanz, müsste der
Preamp neben einem kleinen Ausgangswiderstand auch die Potenz besitzen, die
Kopfhörer mit reichlich Strom zu versorgen. Da wir uns aber auf die Ansteuerung von
Endstufen festgelegt haben, ist diese Strompotenz gar nicht nötig, um ein paar Volt in
Eingangsimpedanzen von 10 kOhm bis 100kOhm typischer Endstufen zu bringen.
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Standard-SRPP-Schaltung |
Anhand der Standard-Schaltung wollen wir untersuchen, wie die SRPP-Schaltung prinzipiell und
insbesondere der Gegentaktbetrieb funktionieren. Ich verzichte an dieser Stelle auf die
mathematische Herleitung, denn die wird durch die Innenwiderstände der Röhren durchaus
komplex und ist dann einem allgemeinen Verständnis möglicherweise hinderlich. |
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Gegeben sei die obige Schaltung. Wir setzen Trioden vom Typ 6SN7 ein, die mit ihrem Mü von
20 eine der üblichen Röhren für Line-Verstärker ist. Die Versorgungsspannung betrage 300
Volt. Wir setzen Rk = Rak, damit beide Trioden die gleiche Uak sehen, dann müssen bei
identischem Querstrom Iq die anderen relevanten Röhrenparameter wie die Steilheit S und der
Innenwiderstand rp für die beiden Röhren auch identisch sein. Rk und Rak sollen in dieser
Beispielschaltung je 1.4 kOhm sein, und als Last bestimmen wir 10k Ohm als
Eingangsimpedanz einer nachgeschalteten Endstufe. Der Querstrom Iq ergibt aus diesen
Bedingungen zu ungefähr 3.5 Milliampere. |
Wenn in einem beliebigen Augenblick die Signalspannung am Eingang der unteren Röhre
zunimmt, dann wird die untere Triode abhängig von ihrer Steilheit etwas mehr als den
Ruhestrom Iq leiten. Der erhöhte Strom verursacht über Rak einen größeren Spannungsabfall,
Rak wirkt hier also als Strom-/Spannungswandler. Je größer der Spannungsabfall über Rak
wird, desto mehr sperrt die obere Triode, denn in Relation zur Kathode wird die Spannung am
Gitter immer negativer. Sperren bedeutet hier aber nichts anderes, als dass der Strom durch
die obere Triode abnimmt, während gleichzeitig der Strom durch die untere Triode zunimmt.
Die Differenz der beiden Triodenströme muss durch die Last zurück zur Quelle fließen. Diese
Schaltung arbeitet also, obwohl sie unsymmetrisch angesteuert wird, im Gegentakt der
Triodenströme in die Last, und das ist die Definition von Push-Pull-Betrieb. |
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Viele Autoren haben beschrieben und bewiesen, dass sich in einer symmetrischen
Gegentaktschaltung die geradzahligen Harmonischen des Klirr aufheben, somit die Schaltung
insgesamt linearer verstärkt. Das entscheidende Wort ist "symmetrisch" und bedeutet für
unsere Schaltung, dass die Triodenströme um 180 Grad phasenverschoben sein müssen und
gleiche Amplitude haben müssen. Nur dann kompensieren sich die geradzahligen
Harmonischen. Eine schnelle Simulation zeigt, dass unsere Schaltung funktioniert: |
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Im Plot sind die Ströme durch die untere und die obere Triode abgedruckt. Offensichtlich sind
sie gegenphasig und besitzen gleiche Amplitude, also genau das, was wir erreichen wollten. |
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Wenn es so simpel ist, eine funktionierende Schaltung zu zeichnen, warum wird dann soviel
Aufhebens um die SRPP-Schaltung gemacht? Nun, zum einen haben wir stillschweigend
vorausgesetzt, dass die beiden Trioden identisch sind. In der Praxis jedoch streuen gerade die
relevanten Parameter Steilheit und Innenwiderstand am meisten, zudem driften die Parameter
jedes Röhrensystems über ihre Lebenszeit. |
Viel schwerwiegender ist jedoch, dass Last und Rak=Rk röhrenabhängig in einem bestimmten
Verhältnis stehen müssen, damit die Forderung nach Symmetrie erfüllt ist. |
Angenommen, wir wollen den Querstrom unserer Schaltung auf gute 7 Milliampere erhöhen,
um in den lineareren Teil der Röhrenkennlinie zu kommen, natürlich ohne die Röhre bis an ihre
Leistungsgrenzen zu belasten. Eine schnelle Simulation liefert uns für Rak und Rk den Wert
470 Ohm, um einen Querstrom von 7.3 Milliampere zu erhalten. Die Ströme durch die beiden
Trioden zeigt wieder der Simulations-Plot: |
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Die Verkleinerung von Rak führt dazu, dass vornehmlich die untere Triode -in hochohmiger
Kathodenbasis-Schaltung- in die Last arbeitet, während die obere Triode kaum noch einen
Beitrag zur Verstärkung liefert. Mit der Verkleinerung von Rak haben wir den
Gegentakt-Betrieb faktisch verloren. |
Damit symmetrischer Gegentakt-Betrieb erreicht wird, muss folgende Formel, auf deren
Herleitung ich verzichten möchte, erfüllt sein: |
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Die Gleichung liefert uns optimale Rak und Rk für eine gegebene Last und für eine Röhre mit
ihren Parametern Mü und Innenwiderstand rp. Indirekt diktiert sie uns aber auch den
Arbeitspunkt jeder Röhre, denn wir haben außer der Versorgungsspannung keine weitere
Möglichkeit mehr, auf die Arbeitspunkte Einfluss zu nehmen. Das führt sehr oft zu Schaltungen
wie oben, in denen die Röhren sehr zugeschnürt mit wenig Strom laufen müssen, was in
unseren Augen dem Klang selten gut tut. |
Die unmittelbare Abhängigkeit von Rload ist das Kernproblem der SRPP-Standardschaltung.
Wie wir gesehen haben, funktioniert der symmetrische Gegentaktbetrieb nur für einen
bestimmten Lastwiderstand, der zudem noch rein resistiv sein muss. Ein Vorverstärker sollte
uns aber die Freiheit geben, von einer Röhrenendstufe mit einigen 100 kOhm
Eingangsimpedanz auf eine FET-Endstufe mit vielleicht noch 10k Ohm oder weniger zu
wechseln, ohne die Schaltung umbauen oder abgleichen zu müssen. |
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Was wir bislang noch außer Acht gelassen haben, ist die Ausgangsimpedanz des Verstärkers.
Im Beispiel oben mit Rak=Rk=1.4 kOhm hätte der Verstärker einen Zout von ungefähr 4.5
kOhm bei einer Last von 10kOhm. Um wie oben beschrieben keine Probleme mit Kabellängen
oder -qualitäten zu bekommen, fordern wir aber eine Ausgangsimpedanz deutlich kleiner 1
kOhm. |
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Wenn wir die Fakten bis hierher zusammen zählen, kommen wir zu dem Ergebnis, dass die
SRPP-Standardschaltung kein Kandidat für einen universellen Linepegel-Verstärker ist. Aber es
gibt ein paar Schaltungskniffe, mit denen man die Eigenschaften deutlich verbessern kann.
Lesen Sie mehr darüber im zweiten Teil. |
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Bis zum nächsten Mal, |
Ihr Team von McIntyre-HiFi |
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